Teilnahme an Vergabeverfahren in finnischen Infrastrukturprojekten
April 2014

Teilnahme an Vergabeverfahren in finnischen Infrastrukturprojekten

Die Auftraggeber großer Infrastrukturprojekte sind fast durchweg staatliche Stellen oder diesen gleichgestellt, und unterstehen damit den strikten Anforderungen des Vergaberechts. Die Anwendung dieser Regeln führt zu einer spürbaren Öffnung des Marktes für internationale Anbieter.

Aufträge, die bestimmte branchenbezogene Schwellenwerte überschreiten (z. B. € 5.186.000 für Bauverträge) und damit für grenzüberschreitende Angebote besonders interessant sind, werden im Offiziellen Journal der EU bekannt gemacht. Diese Ausschreibungen können in der TED-Datenbank (ted.europa.eu) abgerufen werden.

Öffentliche Ausschreibungen, die unter den Schwellenwerten bleiben, werden ausschließlich in der finnischen HILMA-Datenbank (www.hankintailmoitukset.fi) veröffentlicht. Auch an diesen können aber Anbieter aus allen Ländern teilnehmen.

Vorgaben der Ausschreibung als Maßstab

Anbieter von infrastrukturellen Leistungen und Produkten müssen sich bei der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren ein Stück weit von kaufmännischen Tugenden lösen. Das Vergabeverfahren ist streng auf Sicherung der Chancengleichheit unter den Anbietern ausgelegt. Daher dürfen Angebote in keinem Punkt von den Vorgaben abweichen, die in der Ausschreibung definiert sind.

In der Praxis bleiben immer wieder eigentlich konkurrenzfähige Angebote deshalb unberücksichtigt, weil das Angebot gegenüber der Ausschreibung eigene Wege geht. Gerade in komplexen, technologielastigen Projekten fällt es Unternehmern schwer, der Versuchung zu widerstehen, Produkte anzubieten, die noch besser sind als das, was der Auftraggeber sich gewünscht hatte.

Hierbei mag es eine Rolle spielen, dass als Vergabekriterium in finnischen Ausschreibungen in der Regel nicht allein der Preis, sondern die so genannte „gesamtwirtschaftliche Günstigkeit“ angegeben wird. Dieses Kriterium darf aber nicht so verstanden werden, dass der Anbieter alle Vorzüge in die Waagschale werfen dürfte, welche das eigene Produkt zu bieten hat. Die Beurteilungskriterien werden vielmehr in der Ausschreibung konkret und mit objektiver Punktevergabe definiert. Es ist nicht möglich, Defizite in den definierten Kriterien mit anderen Vorzügen zu kompensieren.

In technischer Hinsicht lässt das finnische Vergaberecht die Abweichung von vorgegebenen Standards zu, wenn sich die technischen Eigenschaften entsprechen. In der Praxis sind solche abweichenden Angebote jedoch oft zum Scheitern verurteilt. Vergabeentscheidungen sind in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maße zum Gegenstand (oft erfolgreicher) gerichtlicher Streitverfahren geworden. Die öffentlichen Auftraggeber sind daher heute wenig geneigt, sich mit ihrer Vergabeentscheidung in Graubereiche zu begeben und eine spätere gerichtliche Aufhebung der Entscheidung zu riskieren.

Qualifizierungs- und Verhandlungsverfahren

Der Grundfall des Vergabeverfahrens ist die offene Ausschreibung einer definierten Leistung an eine unbegrenzte Zahl von Anbietern. Gerade in Infrastrukturprojekten greifen die Auftraggeber in der Regel zu komplexeren Verfahren, um Möglichkeiten der Anbieterauswahl und der Konkretisierung der auszuschreibenden Leistung zu eröffnen.

Das gebräuchlichste dieser Verfahren ist das Verhandlungsverfahren. In diesem wird zunächst ein Kreis von Anbietern qualifiziert. Mit diesen Anbietern werden Verhandlungen geführt, in denen die Details der auszuschreibenden technischen und kommerziellen Lösungen ausgearbeitet werden.

Es ist zu beobachten, dass sich Anbieter durch die Ausschreibung im Verhandlungsverfahren zuweilen dazu verleiten lassen, das vorgeschaltete vorläufige Angebot mit einer gewissen Gelassenheit zu erarbeiten. Dies führt zu Reibungen im Verfahren und schlimmstenfalls zur Verweigerung der Qualifikation. Trotz der Bezeichnung der Verhandlungen als solche handelt es sich nicht um freie geschäftliche Verhandlungen.

Der Anbieter kann dem Auftraggeber in den Verhandlungen Vorschläge unterbreiten, wie durch Detailänderungen an der Ausschreibung ein gesamtwirtschaftlich günstigeres Angebot erfolgen kann. Das vorläufige Angebot bleibt aber bindend. Anpassungen können später nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem der Auftraggeber die Ausschreibung im Vergleich zur vorläufigen Ausschreibung modifiziert. Daher muss bereits das vorläufige Angebot alle Kriterien der Ausschreibung erfüllen und so gestaltet sein, dass der Anbieter zu den angebotenen Bedingungen zu liefern bereit ist.

Leistungsbeschreibung bei technologielastigen Projekten

Im Bereich der intelligenten Infrastruktur- und Verkehrsprojekte kommt es häufig zu Anfechtungen von Vergabeentscheidungen. Dies ist wesentlich darin begründet, dass einerseits das Vergaberecht klare und für alle Anbieter gleiche Kriterien der Auftragsvergabe fordert, andererseits aber in diesem sich rapide entwickelnden Bereich selten zwei Produkte völlig vergleichbar sind.

Um den Anforderungen des Vergaberechts gerecht zu werden, sind die Auftraggeber gezwungen, die Beschreibungen der Leistungen und Produkte auf einem hohen Abstraktionsgrad vorzunehmen. Oft genug misslingt dies: einerseits, weil den betreffenden Behörden ausreichende Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, andererseits, weil technische Konzepte und Begriffe oft in verschiedener Weise verstanden werden können.

Anbieter können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Unklarheiten beseitigt werden und die spätere Vergabeentscheidung weniger anfällig für Anfechtungen wird. In jedem Vergabeverfahren werden Fragen der Anbieter zugelassen und beantwortet. Die Antworten werden allen Anbietern zugänglich gemacht und bilden eine Grundlage der Angebotserstellung.

Mit sorgfältigen und zielgerichteten Fragen kann ein Anbieter gleichzeitig versteckten Wettbewerbsvorteilen für Mitbewerber entgegenwirken. Unklarheiten in der Ausschreibung können nämlich dazu führen, dass auch Angebote mit schlechteren technischen Eigenschaften als gleich gut bewertet und zugelassen werden müssen.