Vertragsgestaltung als Teil des Risikomanagements
April 2014

Vertragsgestaltung als Teil des Risikomanagements

Ein Lotterielos, der mit 50 % Wahrscheinlichkeit eine Million Euro gewinnt, ist 500.000 Euro wert. Oder? Nicht unbedingt, wenn nur ein einziges Los zum Verkauf steht oder die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zum Erwerb von zwei Losen hinreichen.

Ob die Eingehung eines Risikos Sinn macht oder nicht, hängt nicht nur davon ab, wie zuverlässig sich dieses Risiko berechnen lässt, sondern auch von der Fähigkeit, das Risiko zu kontrollieren bzw. mit den Folgen eines Fehlschlags zu leben. Erst wenn diese Aspekte berücksichtigt sind, kann ein angemessener Preis ermittelt werden. Die Vertragsparteien haben regelmäßig sehr unterschiedliche Möglichkeit, die vertragsbedingten Risiken zu tragen. Von einer vernünftigen Verteilung der Risikotragung können alle Seiten profitieren.

Auswahl von Geschäftschancen und -partnern

Wenn Sie Geschäftschancen nutzen wollen, ist es ein verständlicher Wunsch, unangemessene Risiken zu vermeiden. Zum Beispiel wäre es nicht klug, Ihre Kreditlinien so weit auszuschöpfen, dass der Zahlungsverzug eines einzigen Kunden zur Insolvenz führen kann.

Häufig müssen Sie sich in Ihrem Geschäftsbetrieb auf die Leistungen von Drittunternehmen verlassen. Sie können natürlich nicht sicher sein, dass alle Ihre Subunternehmer ebenso sorgfältig sind wie Sie selbst. Es kann vorkommen, dass ein Subunternehmer in eine wirtschaftlich schwierige Situation gerät und sich zu unrealistischen Versprechungen verleiten lässt, um sein Geschäft noch eine Weile in Gang zu halten.

Es ist nicht ratsam, die Leistungsfähigkeit von Lieferanten oder Subunternehmern mit übermäßigem Optimismus zu beurteilen. Fehleinschätzungen können durch Vereinbarung von unbeschränkten Haftungsklauseln nur selten beherrscht werden.

Zunächst einmal müsste eine solche Vertragsklausel den Test auf rechtliche Gültigkeit bestehen. Das finnische Recht verleiht den Gerichten umfangreiche Befugnisse, für unangemessen befundene Klauseln zu modifizieren oder zu verwerfen. Das Risiko, dass eine weitgehende Haftungsklausel gerichtlich abgemildert oder verworfen wird, liegt auf der Hand, wenn ein Kleinunternehmer 1:1 mit Haftungsrisiken aus dem Hauptvertrag belastet wird.

Risikoverteilung mit Augenmaß

Bevor vertragliche Risiken hingenommen werden, sollte man:

die Risikofaktoren identifizieren,

zur Kontrolle der Risiken in der Lage sein und

einen Misserfolg überstehen können (den Stresstest bestehen).

Wenn Sie einen Risikofaktor nicht beherrschen können, sollten Sie versuchen, das Risiko durch andere Mittel abzudecken, zum Beispiel durch Vertragsklauseln, die Bestellung von Sicherheiten oder durch Versicherungsdeckung.

Wenn Sie sich andererseits nach sorgfältiger Beurteilung in der Lage sehen, das Risiko selbst zu tragen, dann sollten Sie dies auch tun. Hierfür werden Sie oft einen Gegenwert in den wirtschaftlichen Bedingungen des Vertrages erhalten: in Form eines Preisnachlasses, wenn Sie der Käufer sind, oder eines Preisaufschlags, wenn Sie verkaufen.

Es besteht kein vernünftiger Anlass, Haftung auf ihren Vertragspartner abzuwälzen, wenn Sie den Risikofaktor einfacher und preisgünstiger beherrschen können als dieser. Wenn Sie beispielsweise mehrere Einzellieferungen zur Verarbeitung in einem einzelnen Produktpaket einkaufen, können nur Sie feststellen, ob diese zusammengenommen dem entsprechen, was Sie dem Kunden versprochen haben.

Management von Vertragsrisiken

Die Übertragung vertraglicher Risiken auf Lieferanten oder Subunternehmer erfordert eine sorgfältige Vertragsgestaltung. Gewöhnlich erfolgt die vertragliche Risikozuweisung mit sogenannten Back-to-back-Klauseln. Dabei handelt es sich um Klauseln, die den Generalvertrag (oder Teile davon) durch Verweisung in den Subunternehmervertrag integrieren.

Gleichlautende Vertragsklauseln werden auf den verschiedenen Stufen der Lieferkette potentiell unterschiedlich interpretiert. Die beabsichtigte Risikoverschiebung bleibt u.U. unvollständig. Dazu einige Beispiele:

zeitliche Fristen für vertragliche Verpflichtungen sind oft in Form einer Zeitspanne definiert, welche ab ‚Unterzeichnung des Vertrags‘ oder ab ‚Ausführung der Lieferung‘ berechnet wird. In Subunternehmerverträgen können Bezugnahmen auf den Generalvertrag Verwirrung stiften, da der Subunternehmervertrag einem eigenen Terminplan folgt.

Feste Geldbeträge aus dem Generalvertrag (zum Beispiel Vertragsstrafen für Liefer- oder Zahlungsverzug) können den Gesamtwert des Subvertrages übersteigen, so dass eine darauf bezogene Back-to-back-Klausel im Streitfall der gerichtlichen Inhaltskontrolle möglicherweise nicht standhält.

Im Generalvertrag definierte Test- und Abnahmeverfahren sind für Teillieferungen in der Regel ungeeignet.

Streitbeilegungsklauseln funktionieren nicht unbedingt auch im Kontext des Subvertrages, weil die Anforderungen an den Nachweis fehlerhafter Lieferungen oder Leistungen im Falle der Komplettlieferung andere sind als bei Teillieferungen.

In einer Lieferkette müssen Sie sicherstellen, dass das, was Sie zum Zwecke der Weiterlieferung einkaufen, vollständig mit dem übereinstimmt, was Sie zu liefern versprochen haben. Dies erfordert eine gründliche Analyse dessen, was von einem bestimmten Sublieferanten erwartet werden kann und welche Rolle dieser in der Terminplanung des Gesamtprojektes einnimmt.

Pflichten zur Überwachung von Subunternehmern

Die Möglichkeiten vertraglicher Risikozuweisung sind erheblich eingeschränkt, soweit zwingende gesetzliche Vorschriften eingreifen. Typische Bereiche, in denen dies der Fall ist, sind das Arbeitsrecht, das Sozialversicherungsrecht und das Ausländerrecht.

Das finnische Recht enthält mehrere Pflichten zur Überwachung der Gesetzmäßigkeit des Handelns von Subunternehmern. Eine Partei, die Arbeiten an Subunternehmer delegiert, ist grundsätzlich verpflichtet, von ihrem Subunternehmer bestimmte Daten und Nachwiese einzuholen, bevor der Vertrag geschlossen wird. Das Ziel ist es sicherzustellen, dass der Vertragspartner seine gesetzlichen Verpflichtungen in den Bereichen der Mindestarbeitsbedingungen, der Sozialversicherung, der Steuern und anderer Arbeitgeberpflichten einhält.

Weiterhin hat der Generalunternehmer bestimmte Pflichten bezüglich Arbeitsgenehmigungen usw., wenn Subunternehmer Arbeiter aus Nicht-EU/EEA-Ländern beschäftigen.

Wenn der Generalunternehmer mit anderen Unternehmern einen gemeinsamen Arbeitsplatz oder eine gemeinsame Baustelle unterhält, hat dieser zusätzlich weitgehende Verantwortung hinsichtlich der allgemeinen Arbeitssicherheit. Diese Verantwortung kann nicht vermieden oder durch Vertrag auf Subunternehmer übertragen werden.

Höhere Abschlussquote durch professionelle Vertragsverhandlung

Mit finnischem Vertragsverhandlungs-Know-how kann auch Ihr Unternehmen höhere Abschlussquoten erreichen: Vertragliches Feintuning muss nicht aufwändig sein.

Grundlage für geschäftlichen Erfolg ist Ihr guter Ruf und – darauf basierend – das Vertrauen des Kunden in Ihre Leistungsfähigkeit. Beim Eintritt in den finnischen Markt muss das Vertrauen der örtlichen Kunden jedoch erst erworben werden.

Mit welchen Mitteln kann dies geschehen? Die richtige Antwort auf diese Frage ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ein guter Ausgangspunkt ist die Analyse eigener Misserfolge – besonders in Fällen, in denen Preis und Qualität angemessen waren. Warum hat dem potenziellen Kunden das nötige Vertrauen zum Abschluss des Geschäfts gefehlt? Es hat keinen Sinn, den Fehler beim Kunden zu suchen.

Professionalität als Grundlage des Erfolgs

Kundenvertrauen kann in drei Bereiche eingeteilt werden: Vertrauen in das technische Vermögen, in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und in die Professionalität der Arbeitsweise. In Verkaufsgesprächen stehen naturgemäß Fragen von Technik und Qualität im Vordergrund. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist regelmäßig Gegenstand von Zahlungsklauseln und Liefersicherheiten. Zu wenig Aufmerksamkeit wird dagegen oft der Darstellung der eigenen Professionalität gewidmet.

Nicht nur im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr – hier jedoch in besonderem Maße – kann dies für einen Misserfolg entscheidend werden. Professionelle Qualifikation ist eng verzahnt mit dem geschäftlichen Umfeld, in welchem sie sich ausgebildet hat. Die Professionalität eines ausländischen Lieferanten im finnischen Markt muss sich erst beweisen.

Es muss sich erst erweisen, dass Ihre Leistungen im finnischen Markt funktionieren. Das Vertrauen des Kunden in die Professionalität eines Unternehmens wird arg strapaziert, wenn bereits das Angebot erkennen lässt, dass die örtliche Geschäftskultur und die einschlägigen projektrelevanten Vorschriften nicht zur Kenntnis genommen wurden.

Der Kunde weiß, dass lokale Faktoren den Preis, die Lieferzeit und die Rahmenbedingungen der Vertragsdurchführung beeinflussen. Zu berücksichtigen sind u.a. lokale Handelsbräuche, zur Verfügung stehende Sicherungs- und Inkassomechanismen, Produkthaftung, Datenschutz, behördliche Melde- und Genehmigungserfordernisse, Mindestarbeitsbedingungen, Versicherungen und Steuern.

Es ist nicht möglich, Know-how überzeugend zu präsentieren, bevor es erworben wurde. Nicht jeder Kunde bringt so viel guten Glauben auf, dass er auf zukünftig zu erwerbende Professionalität vertraut. Ein Angebot, welches verrät, dass es in der Hoffnung abgegeben wurde, dass die örtlichen Rahmenbedingungen keine Relevanz für die Gestaltung und Durchführung des Vertrages haben, ist nicht geeignet, Vertrauen zu wecken. Der Kunde wird die verständliche Sorge hegen, dass der Lieferant beabsichtigt, erst durch Versuch und Irrtum zu lernen.

Knock-out in Vertragsverhandlungen

Man kann das Vertrauen eines Kunden nur einmal verlieren. In Vertragsverhandlungen kann dies bereits im Voraus geschehen – zum Beispiel wenn dem potenziellen Kunden ein erster Vertragsentwurf zugesandt wird, der auf den geschäftlichen Gepflogenheiten im Heimatland des Lieferanten beruht. In vielen Branchen sind finnische Unternehmen an bestimmte Geschäftskonzepte gewöhnt. Zudem können die Bedingungen teilweise mit zwingendem finnischen Recht kollidieren oder für örtliche Verhältnisse sachlich unpassend sein. Der ungeeignete Vertragsentwurf kann nach und nach zum Scheitern der Verhandlungen führen: Der Kunde ist nicht einverstanden und Kompromisse zu finden ist nicht leicht, wenn die Diskrepanzen auf einem Informationsdefizit des Anbieters beruhen.

Will man in dieser Situation nicht den vollständigen Rückzug antreten und statt der eigenen die Geschäftsbedingungen des Kunden akzeptieren, ziehen sich die Verhandlungen leicht in die Länge. Es macht nicht den besten Eindruck beim Kunden, wenn die Verhandlungen über die Vertragsgestaltung aufgrund von Informationsdefiziten des Anbieters mehr Zeit und Ressourcen beanspruchen als die Einigung über Preis und Qualität. Sind Wettbewerber vorhanden, wird sich der Kunde u.U. für einen anderen Lieferanten entscheiden. Was dann? Doch den Rückzug antreten? Nicht wirklich! Dies enthielte die Botschaft, dass das erste Angebot nicht ernst gemeint war. Wie sollte der Kunde einem Lieferanten vertrauen, der nicht an sich selbst glaubt.

Gleichgewicht der Interessen

Die Lösung des Problems liegt darin, dem Kunden gleich zu Anfang der Verhandlungen einen Vertragsentwurf vorzulegen, der das klare Verständnis des Lieferanten vom Verlauf des Projektes, den örtlichen Bedingungen in Finnland und auch den Interessen beider Parteien widerspiegelt.

Der Versuch, einseitige Vertragsbedingungen durchzusetzen, ist nicht erfolgversprechend, wenn man Kunden gewinnen möchte. Angemessene Vertragsbedingungen motivieren die Parteien zur Zusammenarbeit und vermeiden Schäden und Verluste bei der Vertragsabwicklung. Ein ausgeglichener Vertragsentwurf zeigt dem Kunden, dass seine Bedürfnisse und Interessen dem Lieferanten wohlbekannt sind. Damit wird Professionalität dokumentiert.

Natürlich sollte der Vertragsentwurf auch die Interessen des Lieferanten reflektieren. Auch dieser Aspekt setzt Kenntnis der lokalen Verhältnisse voraus, damit der Vertrag die angestrebten Wirkungen nicht verfehlt. Insbesondere hinsichtlich der Zahlungsmechanismen sollte der Vertrag wasserdicht sein. Viele in anderen Ländern übliche Mittel der Forderungssicherung, funktionieren in Finnland nicht. Dies gilt auch, wenn für den Liefervertrag das Heimatrecht des ausländischen Lieferanten vereinbart wurde. Die Sicherung von Forderungen wird grundsätzlich von den örtlichen finnischen Gesetzen beherrscht.

Der richtige Vertrag für den finnischen Markt verspricht nicht nur ein besseres Verhandlungserlebnis mit Ihrem finnischen Kunden, sondern auch eine höhere Abschlussquote.