Anbieten für Allianzprojekte in Finnland
Mai 2019

Anbieten für Allianzprojekte in Finnland

Unternehmen, die in Finnland Leistungen für Infrastrukturprojekte anbieten, begegnen einem neuen Trend. Öffentliche Auftraggeber führen Großprojekte zunehmend in Form von sogenannten Projektallianzen durch. Was hat man darunter zu verstehen?

Kurz gesagt basiert die Projektallianz auf der Idee, dass die Parteien eine gemeinsame, integrierte Projektorganisation bilden, in der Risiken und Haftung, aber auch Erfolgsmöglichkeiten geteilt werden.

Erst kürzlich wurde der Ufertunnel in der Stadt Tampere, ein Projekt mit einem Volumen von 180 Mio. Euro, als Allianzprojekt verwirklicht, und zwar mit beachtlichem Erfolg hinsichtlich der Projektdauer und der Gesamtkosten. Das Straßenbahnnetzprojekt in Tampere (ca. 283 Mio. Euro) und die Jokeri-Schnellbahnlinie („Raide-Jokeri“, 367 Mio. Euro) in Helsinki werden ebenfalls als Projektallianzen durchgeführt.

Ein Paradigmenwechsel

Anbieter stehen vor einer Herausforderung, denn nichts scheint so zu sein, wie es war. Das Allianzkonzept impliziert, dass das Gegeneinander von Kunde einerseits und Leistungserbringer andererseits aufgehoben wird. Beide Parteien arbeiten gemeinsam an der Planung und Verwirklichung des Projekts. Am Ende werden entweder alle Beteiligten gewinnen oder alle verlieren.

Natürlich bleibt es dabei, dass der Kunde die Rechnung bezahlt und der Leistungserbringer die Leistung erbringt. Die Parteien vereinbaren aber keinen konkreten Preis, über dessen Auskömmlichkeit dann später gestritten werden kann. Vielmehr erarbeiten sie gemeinsam ein Kostenbudget. Während der Verwirklichung des Projekts werden dem Leistenden alle tatsächlich anfallenden Kosten erstattet, mit einem prozentualen Aufschlag als Honorar. Es ist dieser Prozentsatz, der im Ausschreibungsverfahren den „Preis“ des Anbieters darstellt.

Das Konzept der Allianz geht davon aus, dass die Interessen von Kunde und Anbieter identisch sind. Um dies zu erreichen, wird ein Anreizsystem geschaffen, in dem der Anbieter einen Bonus für Einsparungen bei den Kosten oder Übererfüllung bei der Qualität verdienen kann. Er kann aber auch einen Malus erleiden, z.B. im Fall der Kostenüberschreitung oder von Verzögerungen.

Früheres Investment

Von den Mitgliedern der Allianz wird erwartet, dass sie erhebliche Ressourcen zum gemeinsamen Projektmanagement beitragen. Die meisten Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden. Die gemeinsamen Entscheidungsorgane sollen alle Fragen zügig klären. Im Gegenzug sehen die in Finnland gebräuchlichen Allianzverträge für alle Seiten einen fast völligen Ausschluss des Rechtswegs vor.

Beim Gespräch mit den Beteiligten an früheren Allianzprojekten kann man einen bemerkenswerten Enthusiasmus antreffen. Es scheint offensichtlich, dass das Konzept das Potential hat, eine Atmosphäre der Kooperation zu schaffen, in welcher alle Ressourcen auf den Erfolg des Projekt fokussiert werden (statt auf die Sicherung der eigenen Rechtsposition). Es ist ebenso offensichtlich, dass der erwünschte Effekt von vielen Faktoren abhängt. Auftraggeber und Vergabeberater betonen, dass die Wahl der richtigen Allianzpartner in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielt.

Für Anbieter bedeutet dies, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt als gewohnt mit größeren Ressourcen in den Vergabeprozess gehen müssen. Der Anbieter muss den Kunden davon überzeugen, dass er zu einer produktiven Kooperation im Allianzkonzept in der Lage ist. Er muss seine eigene Vorstellung vom Projekt entwickeln sowie bereits ein konkretes Team präsentieren, das den Anbieter in der Projektleitungsgruppe vertreten soll.

Beteiligung als Subunternehmer

Zu den Mitgliedern der „Allianz“ gehören aber nicht alle Unternehmen, die zum Projekt beitragen. Die Allianz besteht in der Regel aus den Planern und Leistenden in der ersten Reihe. Es ist möglich und üblich, dass Teilarbeiten an Subunternehmer vergeben werden. Diese schließen mit einem oder mehreren Allianzmitgliedern gewöhnliche Werkverträge ab.

Faktisch ist dabei die gesamte Allianz der Kunde des Subunternehmers – ungeachtet dessen, welches Allianzmitglied als Vertragspartner auftritt. Denn die an Subunternehmer zu zahlenden Vergütungen gelten als Projektkosten und werden dem als Auftraggeber fungierenden Allianzpartner voll erstattet (zuzüglich des prozentualen Honoraranteils). Dementsprechend entscheidet über die Auswahl von Subunternehmern und deren Vertragsbedingungen die Projektleitung der Allianz unter Beachtung des Erfordernisses der Einstimmigkeit.