Vergaberecht Finnland: Verfahrensarten
Mai 2019

Öffentliche Vergaben in Finnland: Verfahrensarten

Der Grundfall des Vergabeverfahrens in Finnland ist die offene Ausschreibung einer definierten Leistung an eine unbegrenzte Zahl von Anbietern. In Infrastrukturprojekten greifen die Auftraggeber in der Regel zu anderen Verfahren.

Qualifizierungs- und Verhandlungsverfahren

Das gebräuchlichste Verfahren ist dabei das Verhandlungsverfahren. In diesem wird zunächst ein Kreis von Anbietern qualifiziert. Mit diesen Anbietern werden Verhandlungen geführt, in denen die Details der auszuschreibenden technischen und kommerziellen Lösungen ausgearbeitet werden.

Es ist zu beobachten, dass sich Anbieter durch die Ausschreibung im Verhandlungsverfahren zuweilen dazu verleiten lassen, das vorgeschaltete vorläufige Angebot mit einer gewissen Gelassenheit zu erarbeiten. Dies führt zu Reibungen im Verfahren und schlimmstenfalls zur Verweigerung der Qualifikation. Trotz der Bezeichnung der Verhandlungen als solche handelt es sich nicht um freie geschäftliche Verhandlungen.

Der Anbieter kann dem Auftraggeber in den Verhandlungen Vorschläge unterbreiten, wie durch Detailänderungen an der Ausschreibung ein gesamtwirtschaftlich günstigeres Angebot erfolgen kann.

Das vorläufige Angebot bleibt aber bindend. Anpassungen können später nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem der Auftraggeber die Ausschreibung im Vergleich zur vorläufigen Ausschreibung modifiziert. Der Auftraggeber kann die Verhandlungsphase auch komplett überspringen und ohne Verhandlungen das gesamtwirtschaftlich günstigste Angebot auswählen. Daher muss bereits das vorläufige Angebot alle Kriterien der Ausschreibung erfüllen und so gestaltet sein, dass der Anbieter zu den angebotenen Bedingungen zu liefern bereit ist.

Wettbewerblicher Dialog

Der wettbewerbliche Dialog ist eine spezielle Form des Verhandlungsverfahrens. Dieses Verfahren überspringt die vorläufigen Angebote und umfasst vielmehr offene Verhandlungen mit den Teilnehmern hinsichtlich der Art und Weise, wie der Bedarf des Auftraggebers am besten bedient werden kann. Ausschließlich auf der Grundlage dieser Verhandlungen formuliert der Auftraggeber die endgültigen Anforderungen und die Ausschreibung.

Innovative Partnerschaft – ein neues Vergabeverfahren

Das Ziel der innovativen Partnerschaft, eines im Jahr 2017 neu geschaffenen Verfahrens, ist der Kauf eines Produkts, das noch nicht auf dem Markt verfügbar ist. Die Produktentwicklung und der Kauf der fertigen Lösung werden in der Vergabe zusammengefasst: Der Auftraggeber kann das Produkt, die Dienstleistung oder den Prototyp nach deren Entwicklung vom Entwickler erwerben, ohne diesen Erwerb neu ausschreiben zu müssen.

Der Auftraggeber hat durch eine innovative Partnerschaft die Möglichkeit eine langfristige Beziehung aufzubauen, wobei das erworbene Produkt oder die erworbene Dienstleistung im Laufe seiner Lebenszeit weiterentwickelt werden kann. Andererseits erhält der Entwickler nach erfolgreicher Entwicklungsarbeit selbst den Anschlussauftrag, wodurch die entwickelten Ideen vor Preisgabe gegenüber der Konkurrenz des Entwicklers geschützt sind.

Der Auftraggeber, der sich in eine langfristige Partnerschaft begibt, wird zumindest auf zwei Aspekte besonderen Wert legen: die Kriterien für die Auswahl des Innovationspartners und die Vereinbarungen zur Sicherung der Vertragserfüllung. Die Auswahlkriterien können unter anderem auf Leistung, Referenzen und Qualitätssicherungssysteme gestützt werden. Die Erfüllungsvereinbarungen ermöglichen es dem Auftraggeber zum Beispiel die Einhaltung von Qualitätskriterien zu überwachen, den Vertrag zu kündigen, falls die technischen oder wirtschaftlichen Vereinbarungen nicht eingehalten werden oder eine Alternativlösung auf dem Markt angeboten wird, und zu bekräftigen, dass die Rechte am geistigen Eigentum interessengerecht verteilt werden.

Das neue Verfahren wurde in Finnland gut aufgenommen und eine steigende Anzahl an Auftraggebern bedient sich seiner.