EPC-Unternehmer in Finnland
Ausschreibungen für Projekte
Anlagenbauprojekte im Bereich der anspruchsvollen Infrastruktur werden zunehmend als EPC-Generalverträge vergeben. Ausländische Anbieter sind willkommen, müssen aber sicherstellen, dass sie gut positioniert sind, um sich diese Aufträge erfolgreich zu sichern.
Durch die Vergabe des gesamten Auftrags an einen Auftragnehmer als Paket, von der Detailplanung bis zur schlüsselfertigen Übergabe, entfallen für den Bauherrn viele Schnittstellen. Umgekehrt birgt die Übernahme eines Generalauftrags für die Auftragnehmer erhöhte Risiken.
Im Allgemeinen muss der Auftragnehmer die volle Verantwortung dafür übernehmen, dass die Anlage fertiggestellt und für den vereinbarten Zweck geeignet ist. Auf Unwägbarkeiten und Hindernisse kann er sich nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen berufen.
Risikomanagement mit Erfahrung
Aus technischer Sicht ist das Risiko für einen erfahrenen Auftragnehmer kalkulierbar - und bei Bedarf versicherbar. Der rechtliche und verwaltungstechnische Rahmen stellt jedoch ausländische Anbieter vor Herausforderungen, wenn sie in Finnland noch keine eigenen soliden Erfahrungen gesammelt haben.
Zum einen gibt es ordnungspolitische Aspekte, die sich direkt auf die Kosten für die Erbringung von Bau- und Dienstleistungen auswirken: Arbeitsrecht und Sicherheitsvorschriften in erster Linie, aber auch Einfuhr- und Transportbeschränkungen sowie natürlich Steuern und Abgaben.
Die Frage, was genau geliefert werden soll, hat einen noch größeren Einfluss auf die Kalkulation und die Risikobewertung. Hier kommt die Besonderheit des EPC-Vertrags ins Spiel: Der Bauherr gibt in der Regel nur eine grobe Spezifikation vor (FEED - Front End Engineering Design), aus welcher die funktionalen Ziele des Anlagenbauprojekts entnommen werden. Es liegt in der Verantwortung des Generalunternehmers, die Ziele zu erreichen und dabei die Anforderungen von Gesetzen, Normen und Behörden einzuhalten.
Wenn sich der Lieferant außerhalb seines geografischen Heimatgebiets bewegt, kann er bei der Bewertung länderspezifischer Risiken auf Herausforderungen stoßen, z. B. unvorhergesehene Sicherheitsanforderungen oder Dokumentationsanforderungen von Behörden, Änderungen des Arbeitsumfelds aufgrund gesetzlicher Maßnahmen und unerwartete Steuern.
Gut vorbereitet sein, erfolgreiche Angebote machen
In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass sich ausländische Bieter im Wettbewerb um einen EPC-Auftrag einen Nachteil einhandeln, indem sie aufgrund der genannten Risikofaktoren entweder eine überhöhte Risikoprämie zusätzlich zum Preis kalkulieren (wodurch sie schnell aus dem Rennen sind und Transaktionskosten sparen) oder sich bei den Vertragsverhandlungen zu sehr gegen die Übernahme der für einen EPC-Auftrag typischen Geschäftsrisiken wehren (was zu einem späteren und teureren Scheitern führt).
Damit potenzielle Auftragnehmer bei finnischen EPC-Projekten erfolgreich sein können, müssen sie in der Lage sein, Projektrisiken realistisch einzuschätzen und zu kalkulieren. Auf diese Weise können sie auch die finnischen Kunden davon überzeugen, dass man sich auf sie verlassen kann, wenn es um die Abwicklung eines komplexen Projekts im finnischen Umfeld geht.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dies konkret zu erreichen. Bei einem langfristigen Eintritt in den finnischen Markt sollte ein eigenes, lokales Personal mit den entsprechenden Kompetenzen aufgebaut werden. In den meisten Fällen wird auch die Hinzuziehung von externem Fachwissen in Form von technischen und rechtlichen Beratern erforderlich sein.
EPC-Vertrag in Finnland aus Sicht des Unternehmers
Die Gestaltung und Verhandlung des EPC-Vertrags eines Generalunternehmers richtet sich in erster Linie nach den Erfordernissen des jeweiligen Projekts. Allgemeingültige Regeln können nicht aufgestellt werden. Aber natürlich spielen die Konventionen und Gepflogenheiten auf dem Zielmarkt – in diesem Fall Finnland – eine Rolle.
Der Grundgedanke des EPC-Vertrages ist, dass der Unternehmer eine weitreichende, volle Verantwortung für den Erfolg des Bauvorhabens übernimmt. In der Regel wird dabei ein Pauschalpreis für die Fertigstellung vereinbart.
Das Projektrisiko des Unternehmers hängt davon ab, inwieweit er die Verantwortung trägt. Dies ist von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich, und bei Vertragsverhandlungen ist ein Tauziehen nicht unüblich.
Vor allem die folgenden Fragen sind typische Streitpunkte bei der Risikoverteilung:
Kann der Unternehmer davon ausgehen, dass das FEED korrekt ist, oder muss alles von Grund auf neu geprüft werden?
Muss sich der Unternehmer um die Einholung von Genehmigungen (Baugenehmigung, Umweltgenehmigung, branchenspezifische Genehmigungen usw.) kümmern, die erforderlichen Unterlagen erstellen und die Verantwortung für auftretende Verzögerungen übernehmen?
Reicht es aus, wenn der Unternehmer die im FEED oder im Vertrag festgelegten technischen Ziele erfüllt, oder ist er in allgemeinerer Form dafür verantwortlich, dass die errichtete Anlage auch tatsächlich ihren Zweck erfüllt?
Kann der Unternehmer bei unvorhersehbaren Ereignissen (z. B. Bodenverunreinigungen, Handlungen Dritter, Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen) Nachzahlungen und Terminanpassungen verlangen oder fallen diese in das Risiko des Unternehmers?
Durch eine allzu risikoscheue Haltung kann ein Anbieter seine Glaubwürdigkeit als erfahrener Generalunternehmer aufs Spiel setzen. Viele dieser Risiken lassen sich kaufmännisch recht zuverlässig abschätzen und in das Angebot einpreisen, wenn man mit den rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen in Finnland vertraut ist.
Änderungen
Auch wenn der Bauherr die Verantwortung so weit wie möglich auf den Generalunternehmer übertragen möchte, wird er in der Regel das letzte Wort haben wollen, wenn es darum geht, was tatsächlich gebaut wird. Der Bauherr kann Änderungen an den auszuführenden Arbeiten anordnen.
Ein finnischer Auftraggeber wird es in der Regel nicht hinnehmen, dass dieses Recht im Vertrag beschränkt wird. Es wird Ihnen auch kaum gelingen, die Durchführung eines Änderungsauftrags davon abhängig zu machen, dass sich die Parteien vorher über die Auswirkungen auf den Vertragspreis und den Zeitplan einigen. Vielmehr ist es bei Bauverträgen üblich, dass der Fortgang der Arbeiten und die Fertigstellung des Projekts Vorrang vor allen kaufmännischen Belangen haben.
Anbieter sind gut beraten, diese Ausgangslage zu akzeptieren und sich auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen sie realistischerweise etwas erreichen können:
Vereinbarung von praktikablen Änderungsverfahren, bei denen der Unternehmer Klarheit darüber hat, ob eine Änderung durchgeführt werden soll, auch wenn der Preis noch nicht feststeht,
Einigung auf realistische Preismechanismen, die greifen, wenn Änderungen durchgeführt werden sollen, ohne dass vorher ein Preis vereinbart wurde, und
Berücksichtigung der Auswirkungen, die Änderungsaufträge auf die Gesamtverantwortung des EPC-Auftragnehmers haben können.
Und natürlich sollte man während des gesamten Projektverlaufs eine umfassende Projektdokumentation vorsehen, anhand derer man die Kosten und Auswirkungen geänderter Aufträge nachverfolgen und die im Vertrag vorgesehenen Verfahren zur Durchsetzung von Zuschlägen und Terminanpassungen einhalten kann.
Gewährleistung und Haftung
Welche Garantien übernommen werden sollen und für wie lange, hängt von der Art des Projekts ab. In Finnland ist eine zweijährige Gewährleistungsfrist üblich. Die branchenüblichen YSE 1998-Bedingungen sehen auch eine Nachhaftung für verborgene Mängel vor, die für zehn Jahre nach Erhalt gilt, wenn diese auf Umstände wie grobe Fahrlässigkeit bei der vereinbarten Qualitätssicherung zurückzuführen sind.
Ohne vertragliche Haftungsbeschränkung ist die Haftung des Auftragnehmers – sei es für Baumängel oder für die Folgen von Vertragsverletzungen – nach finnischem Recht unbegrenzt. Auch die Standardbedingungen YSE 1998 enthalten keine Haftungsbeschränkung.
Die Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen ist üblich, insbesondere der Ausschluss von indirekten Schäden und die Festlegung von Haftungsobergrenzen. Allerdings wird am Market natürlich auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sowie ein angemessener Versicherungsschutz vorausgesetzt. Lieferanten sollten daher vermeiden, mit übertriebenen Vorstellungen über Haftungsbeschränkungen falsche Signale zu setzen. Der EPC-Auftragnehmer hat jedoch ein verständliches Interesse daran, nicht zum Risikozentrum in der vertraglichen Wertschöpfungskette zu werden: Eine Abwälzung von Haftungsrisiken auf Subunternehmer, Planer und andere Vertragspartner ist nur bedingt möglich.